Schon Königin Marie Antoinette fuhr, um dem höfischen Stress zu entgehen, in ein kleines Dorf Nahe Versailles und betätigte sich dort als naturnahe Bäuerin. Bei diesen ländlichen Aufwartungen, verkleidete sie sich beispielsweise als Magd und sammelte beglückt frisch gelegte Eier. Zwar benutzte sie dafür Eimer aus edlem Porzellan, aber immerhin genoss das scharrenden Federvieh die Zuneigung ihrer Majestät. Ähnlich dekadente Vorlieben pflegen kalifornische Manager in Silicon Valley und halten Hühner in ihren Villen-Gärten. Freilich leben diese Legehennen in Luxusställen, picken das beste Biofutter und sitzen auf eigens gefertigten Designerstangen. Das Huhn als neues Statussymbol und Prestigeobjekt.
Der Trend setzt sich längst bei uns fort, indem es immer mehr Menschen gibt, die Freude an dieser speziellen Tierhaltung haben. Verständlich ist es, denn das Huhn blickt auf eine lange Ahnenreihe zurück und weist laut dem englischen Naturforscher Thomas Henry (1925-1995) prähistorische Wurzeln auf. So soll es von eierlegenden, ziemlich gefährlichen Raubsauriern abstammen. Somit wäre auch die Frage geklärt, was zuerst da war. Das Ei oder das Huhn? Vom Urvogel bis zum heutigen Nutztier war es sicher ein langer Weg. Ich kann als Laie nicht beurteilen, ob der Dinosaurier tatsächlich als Vorfahre des Hühnervogels gilt. Sicher ist hingegen, dass die Domestizierung bereits vor ca. 6.000 Jahren erfolgte. Das Haushuhn ist eine Züchtung des "Bankivahuhns" und gehört zur Familie der Fasanartigen.
Bei den Römern erlangte das Federvieh große Bedeutung und wurde als Fleisch- und Eierlieferant bekannt und beliebt. Heute geht man von einem weltweiten Bestand von schätzungsweise 20 Milliarden Tieren aus. Somit ist das Haushuhn das häufigste Haustier bzw. Nutztier. Leider wird genau das den Tieren zum Verhängnis, indem sie nicht mehr als Tier, sondern als industrielle Ware gesehen und behandelt werden. Zwar wurden ab 2010 sogenannte Legebatterien verboten, jedoch ist Bodenhaltung in meinen Augen weiterhin nicht artgerecht. Neun Tiere pro Quadratmeter, ohne Auslauf und Beschäftigung. Der Profit geht vor und das Tierwohl wird in keiner Weise hinreichend berücksichtigt. Dies gilt natürlich nicht nur für die Geflügelhaltung, sondern letztendlich für die komplette Nutztierhaltung. Bei der Bewirtschaftung von Nutzflächen steht die Gewinnmaximierung ebenso an oberster Stelle. Ökologische Gesichtspunkte spielen kaum eine Rolle. Riesige Maschinen übernehmen die Ernte und abgelegte Kitze werden nicht selten von ihnen erfasst. Der Einsatz von krebserregendem Glyphosat wird für weitere Jahre genehmigt, obwohl es maßgeblich für das Artensterben in der Agrarlandschaft verantwortlich ist. Ein Umwelt- und/oder Tierschutzskandal jagt den nächsten und ist es sicher kein Wunder, dass wir uns nach einer anderen Welt sehnen …
Ich muss unweigerlich an meine Kindheit denken! Unsere Nachbarn hielten Hühner. Sie scharrten, pickten und stießen dabei beruhigende Gurrlaute aus. Sie liefen einem neugierig hinterher und wurden beim Namen gerufen. Eine ländlich Idylle in der ich aufwuchs. Tiere gehörten wie selbstverständlich zum Leben dazu. Sie wurden weder verhätschelt oder vermenschlicht, sondern hatten ihren Platz in der Gemeinschaft. Diese bodenständige Lebensweise ist uns -vor allem in den Städten- abhanden gekommen. Daher finden wir das ursprüngliche Leben auf dem Land, und sei es nur für einen Ausflug, so entspannend. Wir begeben uns auf eine kleine Zeitreise und spüren Vertrautes. Ob es der Geruch von Heu, das Erklingen einer Kirchenglocke oder das Krähen eines Hahnes ist … es erinnert uns an Kindertage und glückliche Momente …
Vielleicht deshalb, werden Hühner mittlerweile für Therapiezwecke eingesetzt und leisten in der tiergestützten Arbeit hilfreiche Dienste. Als Dozentin für den Bereich Demenz halte ich sie gerade auf diesem Gebiet für besonders wirkungsvoll. In vielen Biografien spielten Haus- u. Nutztiere eine Rolle und besonders die älteren Jahrgänge sind oft mit Hühnern aufgewachsen. Die Tiere sind menschenorientiert und gesellig. Sie haben ein flauschiges Federkleid und sie lassen sich anfassen. Vor allem wirken sie sehr beruhigend und übertragen die Entspannung auf den Menschen.
Hühner für die Seele, so könnte man es bezeichnen! Ob Patient oder prominent, diese sozialen gefiederten Tiere finden immer mehr Anhänger. Und auch ich zähle mich dazu. Wenn es möglich wäre, würden wir gern welche halten. So muss ich mich auf meine ländlichen Ausflüge zu ihnen beschränken. Seit Jahren fahre ich regelmäßig auf´´ s Land und statte ihnen im östlichen Umland von München meinen Besuch ab.
Natürlich stehen dann Eier und Nudeln auf unserem Einkaufszettel, die wir im "Eierhäuschen" kaufen. Und obwohl mittlerweile mehr als 5.000 Hühner in dem Betrieb vorzufinden sind, finde ich sie vorbildlich gehalten. Die Hühner verfügen über Ställe, können sich jederzeit innen und außen bewegen. Sie haben riesige Rasenflächen, Sand- und Schattenplätze. Damit dem ursprünglichen Lebensraum der Tiere entsprochen wird, pflanzte man schnellwachsende Bäume. Dadurch sind sie vor den Angriffen von Greifvögeln geschützt und sie werden so in die Fläche geleitet.
Also es geht doch, kommerzielle Ziele mit dem Tierwohl zu verbinden. Übrigens schmeckt man den Unterschied und Qualität zahlt sich eben aus. Und ist das Huhn glücklich, freut sich der Mensch …
Und zum Schluss noch ein paar weitere Impressionen vom Landleben ... und Chiron, unser Hund war selbstverständlich mit von der Partie ... Eure Karin Biela
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Gabriele Abbühl-Herzsprung (Sonntag, 22 September 2019 07:46)
Da möchte ich auch mal gerne dabei sein. Ich liebe Hühner und werde immer verlacht wenn ich sage, dass ich im Falle einer Demenz eine Ziege und ein weißes Stubenhuhn möchte....als Kind im Allgäu hatte eine alte Bäuerin so ein "Stubenhuhn". Es lief immer mit ihr wie ein Hund.
Claudia Geiger (Donnerstag, 10 Oktober 2019 11:37)
Wunderbar geschrieben und macht Lust wiedermal einen Ausflug auf den Bauernhof bzw aufs Land zu machen ! Ich bin auch ein sehr tierlieber Mensch und Entschleunigung würde uns bestimmt allen gut tun ! ;)